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Fleisch ist Luxusgut! - Artikel Kreisanzeiger vom 14.04.2018

wetteraukreis. Wagyû und Black Angus – das sind zwei Rinderrassen, die als hervorragende Fleischlieferanten gelten und nicht nur Liebhabern ein Begriff sind. Auch Jannick Scheibner kennt sie. Während die eigentlich aus Irland stammenden Angus-Rinder (vor allem früher) oft in den USA und Südamerika gehalten wurden, stammt das Wagyû aus Japan. Der Wirtschaftswissenschaftler hat während des Studiums in verschiedenen Restaurants gearbeitet und dabei festgestellt: Wenn es um Steaks geht, dann hat das Fleisch meist einen langen Weg hinter sich. „Die Steaks stammten meist aus dem Ausland. Gutes Fleisch aus Deutschland gab es kaum. Ich dachte: Das muss auch anders gehen.“ Heute leitet der Bad Nauheimer gemeinsam mit seiner Partnerin Arlena Homola das in Friedberg beheimatete Start-up „GreenOx“ – einen Onlineshop für hochwertiges Fleisch aus Deutschland.

Im Büro im hinteren Teil eines Geschäftshauses auf der Kaiserstraße dominieren selbstgebaute Möbel aus alten Euro-Paletten. Zwei PCs, eine Sitzgruppe am Fenster. In einer Ecke stehen braune Versandboxen, an den Wänden hängen Fotos von perfekt in Szene gesetztem rohem Fleisch und Rindern, die treu in die Kamera blicken. Mehr braucht man für einen Online-Handel erstmal nicht. Die erst wenige Wochen alte Hündin Emma wuselt um die Sitzgruppe, Scheibner und Homola lümmeln sich mit ihren Kaffeetassen in ihren Sesseln und erzählen, wie sie „GreenOx“ gründeten.

Die zündende Idee kam den Beiden 2012 während einer eineinhalbjährigen Reise durch Australien und die USA. „Wir haben dort zeitweise auf Farmen gearbeitet. Die Rinder werden dort das ganze Jahr über draußen gehalten, das Fleisch hat eine wahnsinnig gute Qualität. Wir waren uns sicher, dass es auch in Deutschland landwirtschaftliche Betriebe geben muss, die das auch bieten können. Und die gibt es“, sagt die studierte Agrarwissenschaftlerin Homola.

Seit gut eineinhalb Jahren verkaufen Homola und Scheibner, 25 und 26 Jahre alt, mittlerweile Fleisch aus Deutschland. Hauptsächlich vom Rind. Aber auch vom Schwein. Vom Lamm. Die Philosophie: Das Fleisch stammt von Tieren, die artgerecht gehalten werden und mit natürlichem Futter aufwachsen. „Ausschließlich Fleisch hier aus der Region anzubieten, das ist leider nicht machbar. Die Wetterau ist eher vom Ackerbau geprägt“, sagt Jannick Scheibner.

Von den insgesamt rund 20 Betrieben, die „GreenOx“ derzeit beliefern, liegen nur wenige in der Region. Dasselbe gilt auch für die Kunden, die findet „GreenOx“ in ganz Deutschland und sogar Europa. „Ich schätze, dass 80 bis 90 Prozent unserer Kunden außerhalb des Wetteraukreises wohnen“, sagt Scheibner. Der regionale Bezug zur Wetterau definiert sich überwiegend über den Standort des jungen Unternehmens.

„Wir haben einen Katalog mit Standards erarbeitet, die unsere Lieferanten erfüllen müssen“, sagt Scheibner: Neben der artgerechten Weidehaltung im Herdenverband gehören die naturnahe Aufzucht, natürliches Futter – also Heu, Gras und Grassilage –, eine möglichst stressfreie Schlachtung und geringe Transportwege dazu. Bei „GreenOx“ werden die Tiere komplett verarbeitet. Nose-2-Tail – von der Nase bis zum Schwanz – nennt man das. Knochen, Sehnen und Abschnitte, die nicht zum Verzehr verwendet werden, gehen an einen Hundefutter-Hersteller in Nidda, die Felle der Tiere an Gerbereien.

Dafür haben Homola und Scheibner eine leer stehende Metzgerei in Echzell angemietet – in der sie mittlerweile auch „offline“ verkaufen – und einen Fleischer eingestellt. „Man eignet sich natürlich viel Wissen an, aber das überlassen wir dann lieber einem Profi. Außerdem haben wir mit der Organisation des Shops genug zu tun“, sagt Homola.

Auch beim Versand versuchen die beiden, möglichst umweltfreundliche zu arbeiten. Das Fleisch wird vakuumverpackt in Isolierboxen mit Kühlelementen geliefert, um die Kühlkette einzuhalten, in bestimmten Fällen wird das Fleisch auch schockgefrostet. „GreenOx“ garantiert, dass das Fleisch so 48 Stunden unter der per Gesetz vorgeschriebenen Maximaltemperatur bleibt. „Bei Online-Versand denkt man ja immer zuerst an den ökologischen Fußabdruck. Wir versuchen, diesen klein zu halten“, sagt Scheibner. Deshalb werden die Boxen beispielsweise nicht mit Styropor, sondern mit Stroh isoliert. „Das ist nicht nur umweltfreundlicher, sondern es isoliert auch besser“, sagt Homola.

Die Betriebe sind alle familiengeführt, die beiden „GreenOx“-Betreiber kennen ihre Lieferanten und deren Höfe und pflegen einen engen Kontakt. Schafe züchten sie in Ober-Mörlen mittlerweile sogar selbst. „Unsere Tiere weiden das ganze Jahr auf Streuobstwiesen und werden im Winter lediglich mit Heu gefüttert“, sagt Homola. Der Fokus von „GreenOx“ liegt aber auf Rindfleisch. Vor allem von den Rassen Black Angus, Hereford, Simmentaler und Charolais.

Die Gleichung ist einfach. Artgerechte Haltung plus natürliches Futter bedeutet, dass die Tiere auch ein längeres Leben haben: wo nicht gemästet wird, dauert es eben, bis das Tier reif für die Schlachtbank ist. Das hat seinen Preis. Das Rumpsteak hat einen Kilopreis von rund 45 Euro. Die selbst gesetzten Standards des Unternehmens rechtfertigen das für Scheibner und Homola.

„Man merkt, dass unsere Kunden zu Hause noch richtig kochen. Wir bekommen regelmäßig auch eher spezielle Anfragen.“ Die Nachfrage ist zudem stark von der Saison abhängig. Im Winter werden eher Rouladen und Braten, aber auch Suppenfleisch gekauft, im Sommer Steaks. Pro Jahr werden bei „GreenOx“ 50 bis 70 Rinder vermarktet. Der Anteil von Lämmern, Geflügel und Schweinen ist wesentlich niedriger. Das Rindfleisch reift mindestens zwei Wochen, auch sogenanntes Dry-Aged-Beef kann angeboten werden.

Scheibner und Homola selbst essen nur ein- bis zweimal pro Woche Fleisch. „Wir begreifen das als Luxusgut. Der Fehler ist nicht der Fleischkonsum an sich, sondern das inflationäre Essverhalten. Konventionelles Fleisch kommt bei uns überhaupt nicht mehr auf den Tisch“, sagt Homola.

Sie mag vor allem Gerichte wie etwa Ossobuco, also geschmorte Beinscheiben, während Scheibner keinen klaren Favoriten hat. „Filet finde ich mittlerweile langweilig, da wähle ich dann eher ein Porterhouse.“ Die Beiden sind davon überzeugt, dass verantwortungsvoller Fleischgenuss möglich ist. „Ich denke nicht, dass der Mensch komplett aufhören wird, Fleisch zu essen. Also muss man die artgerechte Haltung unterstützen“, sagt Homola.

„Wir haben nicht zu jeder Zeit alles. Wenn etwas ausverkauft ist, dann ist es ausverkauft“, ergänzt Scheibner. Die Botschaft ist klar: Die Produkte stammen von Lebewesen – die Nachfrage um jeden Preis zu bedienen, zu jeder Zeit alles vorrätig zu haben, das passt nicht zum Konzept von „GreenOx“. Klar, hier sind zwei Menschen, die ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von Fleisch bestreiten. Aber Tiere essen und das Tierwohl trotzdem im Blick haben, das geht, finden die Beiden – wenn man verantwortungsvoll konsumiert.

Verfasst von Michel Kaufmann - Kreisanzeiger